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Zeltbau


Nachdem wir die ersten Mittelaltermärkte im großen Gastzelt übernachtet haben, begannen wir irgendwann, uns nach einem eigenen Zelt umzusehen.
Allerdings begeisterten uns die Angebote nicht gerade, da die gewünschte Qualität nicht unseren Preisvorstellungen entsprach und umgekehrt. Daher wurde beschlossen, das Zelt als Winterprojekt selbst zu nähen.

Obwohl ein authentisch-mittelalterliches Zelt eigentlich aus Leinenstoff gefertigt sein sollte, entschieden wir uns (u. a. ebenfalls aus Kostengründen) für einen Baumwollstoff mit einer Stärke von 500 g/m².
Laut verschiedenen Quellen ist ein gut gewebter Baumwollstoff etwa ab 300 g/m² bis 350 g/m² soweit Wasserdicht, das man damit üblicherweise keine Probleme hat – allerdings gab es da auch diverse anders lautende Berichte, denen dann das Regenwasser ins Zelt lief.
Für Leinenstoff gilt offenbar eine Stärke von 500 g/m² aufwärts als Regendicht.

Der Stoff sollte übrigens in Leinwand oder Köperbindung gewebt sein. Bei der Leinwandbindung geht jeweils ein Faden über, bzw. unter den anderen – bei der Köperbindung sind es jeweils zwei Fäden, die gleichzeitig verwoben werden.

Zunächst musste zwischen den möglichen Zelttypen gewählt werden – trotz unserer Wikinger-Darstellung fiel unsere Wahl nicht auf das typische Wikingerzelt mit dreieckigem Rahmen vorn und hinten, sondern auf ein Sachsenzelt oder Geteld. Diese Wahl hatte mehrere Gründe – zum einen müssen wir modernen Wikinger all unseren Kram (auch die Zeltstangen) in einem handelsüblichen PKW transportieren. Zum anderen sind uns nur Funde von Wikingerzelten im Zusammenhang mit Begräbnissen bekannt – es könnte also ebenso sein, das diese Zeltform nur zu Begräbnisritualen Verwendung fand und im Alltag eine ganz andere Form genutzt wurde. Tja – die Fundlage… Natürlich gibt es verschiedene Bildbelege für die Nutzung eines Geteld im Frühmittelalter – der Utrechter Psalter aus dem 9. Jahrhundert ist nur ein Beispiel hierzu. Allerdings haben wir unseren Eingang in der Mitte der Zeltwand gewählt – Bildquellen zeigen jedoch nur einen Eingang in den Apsiden des Zeltes.

Der zweite wichtige Punkt war die geplante Größe des Zeltes – unser Zelt muss problemlos bis zu vier Personen und einiges an Ausrüstungsgegenständen unterbringen können. Daher schien eine Grundfläche von 6m x 3,50m bei 2,5m Höhe angemessen… (Man gönnt sich ja sonst nichts…)
Bis zu diesem Punkt hatten wir auch schon einige Zeltbeispiele gesehen und gemeinsam entschieden, das wir zwar ein Vordach an unserem Zelt haben wollen, aber nicht wie bei anderen Zelten die Seitenwand als Vordach aufstellen möchten. Unser Zelt besitzt also auch mit aufgestelltem Vordach einen verschließbaren Eingang und eine geschlossene Seitenwand.

Zunächst brauchten wir aber erstmal den Stoff für das Zelt und dazu passendes Garn, also bestellten wir insgesamt 40m Baumwollstoff mit einer Ballenbreite von 150cm und eine Rolle mit 1000m Zeltgarn „Rasant 50“. Wir hätten besser gleich zwei Rollen Garn einkaufen sollen, denn mit einer Rolle kamen wir bei der Größe unseres Zeltes definitiv nicht aus.

Überlegungen Zeltbau Bis die kleine Stoff-Rolle mit knapp 32kg bei uns ankam, konnte ich also die Zeit für einige Berechnungen und Überlegungen nutzen. Eingeplant wurden unter anderem kleine „Taschen“, durch die später der Firstbalken hindurch geschoben werden sollte. Auch wurden die Apsiden des Zeltes so abgeändert, dass kein richtiger Halbkreis gebildet wird, sondern lediglich ein abgeflachter Halbkreis. So wurde jede Apside entlang der Längsachse des Zeltes um etwa 40cm kürzer, was dann erst die oben genannten 6m Gesamtlänge des Zeltes ergab.
Hierdurch ändert sich aber auch der Neigungswinkel der Zeltbahn entlang der Apside, also einiges an Rechenarbeit für die drei Dreiecke (je Apside bis zur Mittelachse) mit jeweils anderen Maßen…

Um überhaupt eine Vorstellung vom späteren Zelt zu bekommen, wurde zuerst ein kleines Modell im Maßstab 1:10 hergestellt...
Allerdings wurde das Modellzelt sogleich von unseren Katzen beschlagnahmt. Modellzelt 1:10
Als der Stoff dann angekommen war, bildete das Anzeichnen der Dreiecke eine weitere kleine Herausforderung, denn zwei der Seiten waren deutlich über 2m lang und es gab keinen rechten Winkel an den anzuzeichnenden Teilen. Womit also eine gerade Verbindung von über 2m zeichnen, wenn nichts in der Größe vorhanden ist? Die Antwort lautet – gar nicht! Man Teile das gesamte Dreieck über die Senkrechte, welche auf der längsten Seite des Dreiecks steht in zwei einzelne Dreiecke. Diese besitzen dann einen rechten Winkel und können recht problemlos mit üblichen Mitteln angezeichnet werden. Aber nicht vergessen vorher an allen Seiten einen Rand von min. 3cm für das Vernähen der Teile einzuplanen und anzuzeichnen!!

Schnittplan Man sollte sich am besten einen Plan überlegen, damit man die einzelnen Teile für das Zelt mit möglichst wenig Verschnitt aus der vorliegenden Stoffbahn herausbekommt.
Auch ein Plan in welcher Reihenfolge die Teile des Zeltes am besten vernäht werden ist eine wichtige Vorbereitung. Das gesamte Zelt beim Vernähen der Teile durch den kleinen Zwischenraum der Nähmaschine zu bekommen, könnte zu Schwierigkeiten führen…

Umnähen der Einzelteile Dann kann man damit loslegen die Nähmaschine zu quälen. Damit uns keinesfalls später eine Naht aufreißen kann, haben wir zuerst den Rand aller Einzelteile mit einem normalen, dünnen Faden im Zick-Zack-Stich umnäht. Im Endeffekt ging dies schneller als erwartet – und man bekommt ein erstes Gefühl für den Umgang mit der Nähmaschine (denn ich hatte bis dahin nur mit der Hand genäht).

Zusammenstecken der Zeltteile mit Nadeln Zusammenstecken der Zeltteile mit Nadeln Zusammenstecken der Zeltteile mit Nadeln Zusammenstecken der Zeltteile mit Nadeln Die zweite Übung bestand im Umschlagen der Stücke, die später den unteren Rand des Zeltes bilden werden. Zuerst werden ca. 1,5 cm nach innen umgeschlagen und mit Nadeln festgesteckt. Dann wird die entstandene Kante über gebügelt – am besten mit Dampf. Nun können die Nadeln wieder raus und die Kante kann ein zweites Mal umgeschlagen und festgesteckt werden. Noch mal mit dem Bügeleisen drüber und dann durch die Nähmaschine damit. Immer kurz vor Erreichen des Nähfußes die Stecknadeln entfernen, damit man nicht hängen bleibt.
Zusammenstecken der Zeltteile mit Nadeln Anschließend konnten die ersten Teile entlang der angezeichneten Linien mit Nadeln zusammengeheftet werden, wobei mir unser Kater Piccolo hilfreich zur Seite stand…

Für das Verbinden der Zeltbahnen miteinander wird eine Kappnaht verwendet. Dazu werden die Außenseiten des Zeltstoffes aufeinander gelegt und wie oben gezeigt zusammengeheftet, damit man die Teile etwa 3cm vom Rand zusammen nähen kann. Dann werden die überstehenden 3cm bei einer Stoffbahn auf die Hälfte (etwa 1,5cm) abgeschnitten. Nur bei einem der beiden Stoffteile!! Denn jetzt werden die 3cm Rand um die gekürzten 1,5cm geschlagen und mit Nadeln festgesteckt.
Schematische Darstellung Kappnaht Damit der Stoff später beim Nähen in Position bleibt, wird diese „Wulst“ aus 3 Lagen Stoff erstmal gebügelt. Jetzt werden diese drei Lagen zur kurzen (1,5cm) Seite hin auf den Stoff geklappt und die Nadeln umgesteckt, damit alles so bleibt. Drüberbügeln, zweimal durch die Nähmaschine und fertig ist die Kappnaht!

Der ganze Spaß wird jetzt so oft wiederholt, bis man ein geschlossenes Zelt (bis auf die Öffnungen für den Firstbalken – und die Türe natürlich) hat. Bei der letzten Verbindung wird es etwas kniffelig, weil man wieder den Arm der Nähmaschine im Weg hat…
Lederstücke für Heringschlaufen einzelne fertige Heringschlaufe Heringschlaufe fertig am Zelt Heringschlaufe fertig mit Hering
Jetzt braucht man „nur noch“ ein paar Kleinigkeiten und das Zelt ist fertig. Unsere Heringschlaufen waren jedoch Kleinigkeiten, die noch mal richtig Arbeit machten. Sicherlich kann man es sich auch einfacher machen – aber unsere Heringschlaufen mit Lederverstärkung sind praktisch, robust und sehen auch noch schick aus. Außerdem kann man die Schlaufe aus Seil bei Beschädigung schnell und unkompliziert austauschen.

Sind alle Heringschlaufen, Verstärkungspatches, sonstige Schlaufen, Knöpfe und das Vordach endlich angenäht, kann von den Näharbeiten zu den Holzarbeiten gewechselt werden.

Benötigt werden zwei Stangen um das Vordach aufzustellen, zwei senkrechte Stangen im Zelt auf die der Firstbalken gesetzt wird, den Firstbalken selbst – sowie eine Menge an Heringen um das Zelt fest zu dübeln.
Bei der Größe unseres Zeltes (und unseres Autos) wurde der Firstbalken als zweiteilige Ausführung mit einer Steckhülse in der Mitte geplant.
Aufnahme Firstbalken Im Laufe der ersten Saison mit unserem Zelt mussten wir leider feststellen, dass wir unseren Firstbalken etwas zu schmächtig und die Steckhülse zu kurz gewählt hatten. Daher wurde der Firstbalken mit 5,5cm x 5,5cm durch einen neuen von 7cm x 8,5cm ersetzt, der ferner aus einem robusteren Holz bestand.
Die beiden Teile des Firstbalkens können in einem Spleiß von 20cm ineinander geschoben werden und werden zusätzlich von einer Hülse von 70cm Länge gesichert.
Für unsere Zeltstangen innerhalb des Zeltes nutzten wir übliches Baumarktholz, für das Vordach wurden junge Stämme von etwa 5cm Durchmesser und 2,35m Länge entrindet. Alle Holzstücke wurden geschliffen, geölt und anschließend mit Hartwachs behandelt.

Wie man Holzstücke von 30 – 50cm anspitzt und am stumpfen Ende eine Kerbe für die Zeltschlaufe anbringt, brauche ich wohl nicht zu erklären…

erster Probeaufbau Damit war die Zeit gekommen, endlich einen ersten Probeaufbau zu versuchen. Nach fast vier Monaten abendlichen Schnippelns, Nähens, Schnitzens, Sägens und Fluchens nach der Arbeit, musste sich jetzt zeigen, ob alles als funktionierendes Zelt zusammenpasste…
Tatsächlich verlief der erste Probeaufbau reibungsloser als befürchtet und das Ergebnis sah schon nach einem richtigen Zelt aus.

Inzwischen haben wir bereits einige ergänzende Arbeiten an unserem Zelt durchgeführt, eine zusätzliche Imprägnierung aufgebracht, Banner zu beiden des Eingangs angebracht und zumindest einer Seite des Firstbalkens einen geschnitzten Kopf als Abschluss verpasst.


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